"Regisseurin Antje Thoms lässt die krummen Heldinnen und Helden in diesem skurrilen Familiendrama über sich hinauswachsen. Denn je mehr sich die vier verbiegen, desto besser passen sie ins Bühnenbild. Sie sorgen dafür, dass an diesem langen Theaterabend nicht uneingeschränkte freie Sicht aufs Mittelmass herrscht, und spielen zudem der Rauminstallation jene zentrale Rolle zu, die ihr die beiden anderen Inszenierungen verwehrt haben."
2010, Uraufführung am Stadttheater Bern im Rahmen des Autorenspektakels „Meiler, Hauben und Globen“
Konzept und Idee: Antje Thoms und Jens Nielsen Text: Jens Nielsen Regie: Antje Thoms Dramaturgie: Erik Altdorfer Raum: Lutz & Guggisberg Kostüme: Romy Springsguth
Mit: Sabine Martin, Milva Stark, Diego Valsecchi, Stefano Wenk
„Geh doch nach hinten und halte deine Pfoten in die Mupf Maschine
Die hackt dir gleich die Hände ab
Kannst von mir aus auch den Kopf hinein halten“
Der Familienbetrieb Mupf & Söhne hat seit der Wirtschaftskrise ein Problem: der Verkauf stagniert. Aber die Produktionsmaschinerie läuft unablässig weiter. Während der Hochkonjunktur hat man vor lauter Euphorie vergessen, die Produktionsmaschinen so zu bauen, dass man sie auch abstellen kann. Da kommt die Geschäftsidee des mittlerweile dementen Firmengründers Johann Mupf grade recht. Neu heißt das Produkt genauso wie die Firma: Mupf.
Der neue Mupf kann alles.
Und er ist erschwinglich, denn er kostet einfach alles was man hat. Weil niemand einen besseren Vorschlag weiß, übt die Familie ab jetzt Verkaufsgespräche mit sich selbst. Immer absurder werden die Wünsche der imaginierten Kunden, doch der Mupf befriedigt jedes noch so spezielle Bedürfnis.
Tagesaktuelle Problemzonen
Gefängnisse der ganz anderen Art werden in der vergnüglichen Produktion „Mupf & Söhne“ vermessen. Die Familie Mupf – Großvater, Mutter, Sohn und Tochter – nistet sich im Bühnenkunstwerk richtig ein und verwandelt kurzerhand die seltsamen Objekte in lauter Mupf. Die Krise, die zur Überproduktion des Mupf geführt hat, ist sowohl globaler wie persönlicher Natur. Mit dem Mupf konjugiert der Aargauer Wortakrobat Jens Nielsen hemmungslos die tagesaktuellen Problemzonen durch: Und wie in „Alice im Wunderland“, wo sich die Welt zu verformen beginnt, wird auch im mupfschen Universum die Wahrnehmung aus den Angeln gehoben. Je plastischer der Mupf wird, desto handfester brechen die Probleme der verschiedenen Familienmitglieder auf, die sich alle mit Haut und Haar dem Vermarktungsprozess des Mupf unterwerfen. Als überforderte Comicfiguren stolpern Sabine Martin, Milva Stark, Stefano Wenk und Diego Valsecchi über die Bühne, doch die junge Regisseurin Antje Thoms lässt die krummen Heldinnen und Helden in diesem skurrilen Familiendrama über sich hinauswachsen. Denn je mehr sich die vier verbiegen, desto besser passen sie ins Bühnenbild. Sie sorgen dafür, dass an diesem langen Theaterabend nicht uneingeschränkte freie Sicht aufs Mittelmass herrscht, und spielen zudem der Rauminstallation jene zentrale Rolle zu, die ihr die beiden anderen Inszenierungen verwehrt haben.
Wunderbarer Hang zum Skurrilen
Sind es die Eier einer unbekannten Spezies, archaische Stelen oder gar moderne Kunstwerke, die da im Berner Stadttheater auf ihren Sockeln sitzen? Oder sind es schlicht: Mupf? Mupf, das ist in Jens Nielsens Stück die Leerstelle eines Industrieprodukts, das alles und nichts sein kann. Es wird hergestellt von einer netten, schrecklichen Familie, die keinen Businessplan hat. „Mupf & Söhne“, von Antje Thoms mit einem wunderbaren Hang zum Skurrilen inszeniert, nimmt explizit Bezug auf die Rauminstallation des Schweizer Künstlerduos Lutz & Guggisberg.
Wie verkauft man etwas, das keiner will?
Eine Rauminstallation des Zürcher Künstlerduos Lutz & Guggisberg stellt die Szenerie. Von dieser ausgehend, sollen sich die Stücke entwickeln. Die Szene zuerst, dann das Theater. Dieses Vorgehen bringt einzig der Zürcher Autor Jens Nielsen in seinem Stück „Mupf & Söhne“ spürbar zum Ausdruck. Wie verkauft man etwas, das keiner will und von dem man zu viel hat? So lautet sein viel versprechender Ansatz.
Alles Mupf – Krise in Mupfhausen
Das zweite Team mit Autor Jens Nielsen und Regisseurin Antje Thoms bezieht die Lutz & Guggisberg-Objekte ins Stück mit ein und erklärt sie zum alleinigen Produkt der Firma „Mupf & Söhne“. Der Familienbetrieb steht vor dem Bankrott und versucht, den Mupf als Lösung für alles anzupreisen. Tatsächlich sind die Familienmitglieder selber sehr hilfsbedürftig – von der Mutter, die in der Midlife-Crisis steckt, über den dementen Großvater bis zur Tochter, die von ihrem Liebsten verlassen wird. Auch der Sohn benötigt den Rat eines nützlichen Mupfs. Nielsen/Thoms bieten einige berührende Passagen.