„Fantasievoll inszeniert und schwungvoll dargeboten ist die Aufführung. Sie enthält alles, was ein gutes Märchen braucht.“
2014, Inszenierung am Deutschen Theater Göttingen
Text: nach Astrid Lindgren Regie: Antje Thoms Dramaturgie: Matthias Heid Musik: Fred Kerkmann Fotos: Isabel Winarsch
Mit: Gaby Dey, Jan Hendrik Huttanus, Andreas Jessing, Felicitas Madl, Maurizio Micksch, Moritz Schulze, Lisa Schwindling, Ralf Sepan
„Wenn nur die Finsternis nicht so schwarz wäre und wir nicht so klein und einsam.“
Bosse kennt sein Leben in und auswendig: Von seiner Tante angemeckert und von seinem Onkel ignoriert werden. Doch eines Abends kommt alles anders. Als Bosse einsam auf einer Bank sitzt und nachdenkt über all das, was er gerne hätte, aber nicht haben kann, steht plötzlich eine Gestalt vor ihm und bringt ihn in das „Land der Ferne“. Hier ist alles anders als in Bosses altem Leben: es ist so schön, dass man „es gar nicht aushalten möchte“. Hier wartet sein Vater, der König, auf ihn, hier lernt er seinen wahren Namen kennen: Mio. Prinz Mio. Hier darf er machen, was er möchte und merkt: an der Hand seines Vaters kann er nichts mehr falsch machen. Doch bald muss er erkennen, dass das Böse vor dem Idyllischen nicht Halt macht. Der grausame Ritter Kato aus dem Land Außerhalb raubt Kinder und verwandelt sie in Vögel. Gemeinsam mit seinem Freund JumJum und seinem Pferd Miramis bricht Mio in das Land Außerhalb auf. Eine Weberin, ein Schwertschmied und andere seltsame Gestalten säumen den Weg der Freunde. Im Kampf gegen den bösen Ritter soll Mio beweisen, dass ausgerechnet er es ist, der in der Welt etwas bewirken kann.
Idyll im Flower-Power-Look
Uralt ist die Geschichte vom Kampf des Guten gegen das Böse, zeitlos die Sehnsucht nach guten Freunden, auf die man sich blind verlassen kann und vor denen man auch mal heulen darf. Fantasievoll inszeniert und schwungvoll dargeboten ist die Aufführung. Sie enthält alles, was ein gutes Märchen braucht – inklusive der Flucht aus einer tristen Realität in eine paradiesische Welt. Tosender Applaus für eine gelungene Premiere.
Vom Niemand zum Königssohn
Bo Vilhelm Olsson, genannt Bosse, hat es eigentlich immer gewusst. Sein Vater kann kein Lump sein, wie es seine garstigen Pflegeeltern immer behaupten. Aber gleich ein König? So magisch geht es in Astrid Lindgrens Kinderbuchklassiker „Mio mein Mio“ zu. Regisseurin Antje Thoms hat dem Stück einen bunten Mantel übergeworfen. Die Kostüme in kräftigen Farben, verziert mit floralen Mustern sind ein Augenschmaus, und auf der Bühne regnet es noch dazu zarte hellgrüne Blätter. Nur der Trauervogel zeugt davon, dass auch im „Land der Ferne“ nicht alles eitel Sonnenschein ist. Alle haben auf Bosse gewartet, der eigentlich Prinz Mio heißt und nur kurz das Zusammensein mit seinem wiedergefundenen Vater, dem König, genießen kann. Die Begegnung von Vater und Sohn ist ein großer, unter die Haut gehender Moment der Inszenierung, die auf weiten Strecken eine unterhaltsame Frische-Kur des Textes darstellt. Die Zuschauer ab sechs Jahren fiebern merklich mit, und die Spannung bei einem kleinen Zuschauer entlädt sich beim Duell mit Ritter Kato in einem „Los! Mach schon!“. Gefallen findet auch die eingängige Komposition Fred Kerkmanns, die zum Mitsingen einlädt, was viele Zuschauer nach dem ausgiebigen Premierenapplaus zusammen mit dem Ensemble tun.