„Eine dichte, stimmige Inszenierung eines starken, relevanten Theatertextes. Eine Empfehlung.“

2019, Deutschsprachige Erstaufführung am Staatstheater Braunschweig 

Text: Lucy Kirkwood, übersetzt von Corinna Brocher Regie: Antje Thoms Dramaturgie: Holger Schröder Ausstattung: Florian Barth Musik: Stefan Leibold Fotos: Thomas M. Jauk / Stage-Picture

Mit: Gertrud Kohl, Klaus Meininger, Saskia Taeger

„Mich hat eine Deadline immer angespornt.“

Ein Erdbeben samt Flutwelle hat in einem ­Atomkraftwerk an der englischen Küste zum Super-GAU geführt. Hazel und Robin, mittlerweile Frührentner und Biobauern, haben den Reaktor damals mit aufgebaut und leben seit der Katastrophe in einer provi­sorischen Behausung nahe der Sperrzone. Nach fast vierzig Jahren steht plötzlich ihre ehemalige Freundin und Kollegin Rose in der Tür, die damals eine Affäre mit Robin hatte. Alte Leidenschaften könnten wieder aufflammen, doch Rose hat aus ganz anderen Gründen den Kontakt gesucht…

„Die Kinder“ ist ein intimes Kammerspiel, das sich – in Echtzeit und auf beengtem Raum – zu einem packenden Thriller weitet.

Lucy Kirkwood verknüpft dabei virtuos das Politische mit dem Privaten. Schuldgefühle treffen auf Egoismus, Verantwortungsgefühl auf Erschöpfung, bitterer Humor auf existentielle Ängste. Während konträre Positionen aufeinanderprallen und Lebenslügen aufgedeckt werden, wird gleichzeitig nach der Verantwortung der Alten gegenüber den Jungen gefragt. Was ist der Preis, den unsere Kinder in Zukunft für den gegenwärtigen Wohlstand zahlen? Was sind wir ihnen schuldig? Und wie kindisch benehmen wir uns selbst?

Starkes Kammerspiel

Lucy Kirkwoods starkes Kammerspiel „Die Kinder“ fesselt bei der deutschsprachigen Erstaufführung. Es erzählt packend von alternden Kerntechnikern. Schon die Wahl der Helden ist ungewöhnlich und mutig: zwei abgehalfterte Kerntechnikerinnen, ein Kerntechniker, alle deutlich über 60. Rose steht nach 30 Jahren plötzlich in der Tür von Hazels und Robins notdürftig eingerichtetem Ferienhaus. Hazels verspannte Reaktion deutet an: Da war mal was zwischen den Frauen. Robin. Und noch mehr ist nicht in Ordnung. Offenbar hat sich ein GAU ereignet in jenem AKW, in dem Rose, Robin und Hazel einst zusammengearbeitet haben. Bevor Rose in die USA ging. Hazel und Robin, gerade verrentet, haben knapp jenseits der verstrahlten Zone im Ferienhaus Unterschlupf gefunden. Strom wird rationiert. Das klingt dramatisch, aber die Geschichte entfaltet sich mählich in den natürlich fließenden und holpernden Dialogen der Frauen. Die unterschwellige Spannung zwischen ihnen korrespondiert mit der ungreifbaren Bedrohung durch die Reaktorkatastrophe. Als Robin dazustößt, von der Versorgung seiner in der Sperrzone verbliebenen Kühe, nimmt die Reibungsenergie zu. So entspinnt sich in mal mäandernden, mal schneidend scharfen Dialogen ein Drama über Verantwortung, Liebe, Erinnerung, das Alter und den Tod. Ein Drama, das klug und empathisch drei Schicksale erzählt, sie mit einem Kernkonflikt unserer Gegenwart verbindet und damit vertieft und erhöht. Regisseurin Antje Thoms inszeniert das im kargen, aber stimmigen Bühnenbild von Florian Barth unaufgeregt, nuancenreich und mit Sinn für die feinen Nadelstiche und poetischen Momente der Dialoge. Insgesamt eine dichte, stimmige Inszenierung eines starken, relevanten Theatertextes. Eine Empfehlung.