„Heute ist ein guter Tag“ schafft es, die Rampe zu überschreiten, verwickelt den Zuschauer in das politische Spiel der Medien, Bilder und Menschen. Ein hinreißender Abend voller Charme und Ironie."
2008, Theater Tuchlaube Aarau, Vorstadttheater Basel und Kleintheater Luzern
Text: Ann-Christin Focke Regie und Ausstattung: Antje Thoms Licht: David Baumgartner Fotos: Donovan Wyrsch
Mit: Sahrah Hinnen, Andrea Schmid, Oriana Schrage, Beren Tuna und Raphael Westermeier
„Wärst du nicht auch gerne mal reich und schön? Fühlst du dich abends auf dem Sofa nicht auch manchmal so allein? Wärst du nicht auch gerne mal ein Star?“
Vier Mädchen promoten den neuen Kinofilm mit Angelina Jolie. Im Grunde aber wollen sie etwas Nützliches machen, der Plan für eine Aktion entsteht: sie werden die Premiere des Films sprengen, dem Scheinwerferlicht den Strom abdrehen, dem roten Teppich seinen Effekt rauben und Schlagzeilen machen. Doch dann verhaftet man sie, bevor sie ihren Plan durchführen können. Jetzt sitzen sie auf der Polizeiwache und lassen alles Revue passieren: Gegenwart und Vergangenheit vermischen sich zu einer Bestandsaufnahme der Gefühle, Ansichten und Träume der Mädchen. Die Suche nach einer Aufgabe, einem Ziel, einem Nutzen hat Ann-Christin Focke auf unsere Zeit bezogen, in der Anarchie fast unweigerlich zur Pose verkommt.
Glamour, Terror und ein Schuss Humor
Politisch sein, wie geht das? Antje Thoms zeigt vier Mädchen, die etwas bewegen wollen: Sie wollen unsere Welt der Ungerechtigkeit, des Hungers, des Kriegs verändern. Und nebenbei erwachsen werden. Thoms inszeniert das Mädchenquartett über Politik als Spiel der Oberfläche, der Bilder und Posen, das nie ins Lächerliche, Pathetische oder Moralische abgleitet und durch sorgfältige Details und Brechungen überzeugt. Es ist ein liebevoll in Szene gesetzter Reigen aus Gefühlen, Fragmenten von Ideologie und fein nuancierten Atmosphären, die sich immer wieder selbst unterlaufen. Besonders aber besticht es durch eins: Humor. „Heute ist ein guter Tag“ schafft es, die Rampe zu überschreiten, verwickelt den Zuschauer in das politische Spiel der Medien, Bilder und Menschen. Ein hinreißender Abend voller Charme und Ironie.
Weltbewegendes im Kopf von vier jungen Frauen
Für einen Film mit Leinwandstar Angelina Jolie die Werbetrommel rühren – braucht es das? Vier junge Frauen haben da ihre Zweifel. Mehr Sinn sehen sie in einer Aktion, die den Kommerz der Kinopremiere unterwandert. Unbequem aber ist es auf den Stühlen der Polizeiwache, wo die vorzeitig enttarnten Heldinnen sitzen, die Arme am Rücken fixiert. Das Warten in Gewahrsam lässt nicht nur hochkommen, was mehr als scheu angedacht war. Ebenfalls an die Oberfläche drängen der Umgang mit Angst und Wut, die leicht einmal unterschätzte Gruppendynamik, das gar nicht mehr so rebellische Befinden. Auch die nicht nur weltbewegenden Zeiten einer Rosa Luxemburg sind vorbei. Das geschickt gebaute Stück von Ann-Christin Focke macht dieses Dilemma unschnörkelhaft greifbar.
Kann man heute noch politisch sein?
Vier Mädchen wollen die Welt verbessern und werden scheitern. Nicht nur, weil ihre Aktion aufgeflogen ist, sondern auch an sich selbst. Ann-Christin Fockes Stück über vier Mädchen in der Regie von Antje Thoms bleibt durchgängig Spiel und ist gekonnt in Szene gesetzt von vier jungen Darstellerinnen in schauspielerischem Dauerstress, die in hollywoodreifer Kostümierung in einer Everything-goes-Welt sich selbst und die Revolution erproben wollen. Ach ja: Es ist ganz leicht die Jolie nachzuahmen. Probieren sie es: Einfach mal die Lippen spitzen, am besten noch mit knallrotem Lippenstift geschminkt. Genau so.